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Heute sprechen wir über eine Studie, die deine Sicht auf Hummel vielleicht für immer verändern wird.
Die Studie trägt den Titel „ Do Bumble Display?“ und wurde veröffentlicht am 19. Oktober 22 im Animal Behavior Journal. [Galpayage Dona, H. S., et al., Do bumble bees play?, Animal Behaviour (2022)]
Diese Studie möchte ich euch genauer vorstellen. Ich gehe einfach von vorne bis hinten durch und erzähle euch, was hier so vorkommt – die Studie ist nämlich veröffentlicht auf Englisch und ich bin mir sicher, dass das für den ein oder anderen Interessierten ein Hinderungsgrund ist, sich das Ganze selber anzuschauen.
Was ist Spiel?
Die Studie beginnt damit, fünf Kriterien zu definieren, was spielerisches Verhalten ist.
- Erstes Kriterium ist: ein spielerisches Verhalten hat nicht sofort ein Resultat. Also es ist kein sofortiges Ergebnis sicher.
- Zweites Kriterium: Spiel ist freiwillig, spontan und in sich belohnend
- Drittes Kriterium: Spiel ist ein Verhalten, das sich grundsätzlich unterscheidet von anderen Verhaltensweisen des Individuums.
- Viertes Kriterium: Spiel ist wiederholendes Verhalten, aber nicht stereotyp. Stereotypes Verhalten das ist definiert als Bewegungsabläufe und Lautäußerungen, die regelmäßig wiederholt und gleichbleibend auftreten.
- Fünftes Kriterium: Das Spiel passiert, wenn das Tier entspannt ist. Das ist also keinen Stress induziertes Verhalten.
Welche Arten von Spiel gibt es?
Anschließend stellen die Autoren die Definition dreier Arten von Spiel vor
- Soziales Spiel: Das ist eine Interaktion zwischen zweier Tieren, wie man es zum Beispiel oft in simulierten Kampfszenen sieht, also junge Löwen, die spielerisch miteinander balgen, beispielsweise
- Bewegungsspiel: beispielswese Springen oder Rennen, ohne sichtlichen Nutzen oder Not zu springen, zu rennen.
- Objektspiel: also Spiel mit Objekt. Das heißt, es gibt eine Interaktion mit einem Objekt, mit einem Gegenstand.
Diese Studie fokussiert sich auf Letzteres, also die Tiere in der Studie haben Objekte bekommen, mit denen sie interagieren konnten.
Die Protagonisten
Kommen wir zu den Stars der Show. Es sind kommerzielle Hummeln (Bombus terrestris audax) genutzt worden. Das ist die dunkle Erdhummel, die auch gezüchtet wird für kommerziellen Nutzen als Bestäuber.
Die Tiere wurden in einer Box untergebracht, sollten sich unter Laborbedingungen erst einmal akklimatisieren für zwei Tagen, bevor das ganze Experiment gestartet wurde.
Während der Studie wurden die Hummeln sehr wenig gehandelt, um Stress zu vermeiden. Es wurde ein Tag-Nacht-Rhythmus durch Licht simuliert und das Hummel-Nest wurde abgedunkelt (diese Hummeln nisten im Boden). Es wurde dafür gesorgt, dass auch im Nest immer genug Futter ist. All dies hatte den Zweck, dass die Kolonie möglichst stressfrei unter Laborbedingungen existieren kann.
Mit dieser Kolonie wurden jetzt insgesamt drei Experimente gemacht
Die dunkle Erdhummel ist eine der häufigsten Hummelarten und auch für Laien leicht zu bestimmen.
(Bild: Jamie Street via Unsplash]
Experiment 1: Spielen Hummeln?
Versuchsaufbau und -durchführung:
Das erste Experiment hatte die Fragestellung, ob Hummeln mit einem Objekt spielerisch interagieren. Dafür wurden Hummeln genommen im Akter von 1 bis 23 Tagen.
In diesem Experiment wurden 28 weibliche Tiere und 17 männliche genutzt, wobei die weiblichen Tiere ausschließlich Arbeiterbienen waren.
Als Objekte wurden 18 Holzbälle genutzt, mit einem Durchmesser von 1,5 Zentimeter in dreierlei Farben: lila, gelb und original.
Die Bälle und auch der Versuchaufbau wurde nach jedem Experiemt-Druchlauf gereinigt, um eventuelle Geruchsspuren der Hummeln zu entfernen.
Der Aufbau dieses ersten Experiments bestand aus einem Nest, welches durch eine durchsichtigen Acryl Tunnel mit einer Arena verbunden wurde. Diese Arena bestand aus zwei Teilen: Einmal eine Futterkammer und einmal die Objektkammer, wo die Kugeln zur Verfügung standen. Die Objekte waren von der Futterstelle aus nicht zu sehen. Die Hummeln hatten die Möglichkeit vom Nest aus gerade durchzugehen zur Futterstelle, ohne mit den Bällen interagieren zu müssen. Dafür wurde ein Weg in der Objektkammer durch kleine Barrieren geschaffen, über die die Hummeln mit Leichtigkeit krabbeln konnten, die aber die Bälle daran hinderten, in den Weg zu rollen.
In der Objektkammer wurden auf einer Seite des Weges die Bälle fixiert und auf der anderen Seite lose verstreut – So entstand eine Seite mit beweglichen und eine mit unbeweglichen Bällen. Insgesamt wurden neun Bälle pro jeder Seite verwendet, drei von jeder Farbe.
Jetzt hatten die Hummeln für insgesamt 18 Tage jeweils drei Stunden am Tag die Möglichkeit, durch diesen Tunnel und die Objektkammer zur Futter Quelle zu kommen. Über diesen Zeitraum wurden beide Kammern Videoüberwacht und die Daten der Videos anschließend ausgewertet.
Auswertung:
Und in der Auswertung hat man festgestellt, dass die Bienen durchaus einen Umweg in Kauf nehmen, um die Bälle durch die Gegend zu rollen.
Beim ersten Verlassen des Nestes wurde keine Präferenz festgestellt, ob die Hummeln die Seite mit den losen Bällen oder die mit den festgeklebten Bällen bevorzugen. Sobald aber eine Biene auch nur einmal kapiert hat „okay, ich kann den Ball hier rum rollen“, wurde anschließend die Seite mit den beweglichen Bällen bevorzugt.
Von den insgesamt 45 Tieren haben alle mindestens einmal mit den Bällen interagiert. Dabei haben einzelne Hummeln am Tag 1–44 Mal einen Ball bewegt, in der gesamten Stude 1-117 Mal. Es gab also Tiere, die das ganze nur ein einziges Mal beachtet haben, und einen „Ausreißer“, der 117 Mal an den Bällen war.
Dabei hat die Farbe der Bälle keine große Rolle gespielt – hier wurde keine Präferenz festgestellt. Grundsätzlich fiel den Forschern auf, dass jüngere Bienen häufiger mit den Bällen gespielt haben als ältere, und männliche eher als weibliche. Hieraus resultierte das zweite Experiment
Auf Futtersuche in der Natur fliegen Hummeln i.d.R zielgerichtet zu Blüten – dennoch nahmen sie sich in der Studien Zeit für die Bälle.
[Bild: Mark Timberlake via unsplash]
Experiment 2: Wer spielt häufiger als andere?
Versuchsaufbau und -durchführung.
In diesem zweiten Experiment hatten wir insgesamt 46 Hummeln – 13 davon waren unter 3 Tage alt, 33 über zehn. Mit diesen Tieren wurde der Experimentablauf aus dem ersten Experiment wiederholt.
Das Ganze lief zehn Tage und wieder diese drei Stunden täglich.
Auswertung:
Die Forscher stellten fest, dass die Jüngeren Tiere eher zu spielerischem Verhalten neigen als die Älteren. Und je älter eine Biene war, umso mehr hat sie sich dem „Ernst des Lebens“ und der Futtersuche verschrieben.
Zusätzlich fiel im ersten Experiment auf, dass die männlichen Hummeln häufiger spielen.
Letzteres geht aber vermutlich damit einher, dass männliche Bienen nicht für die Kolonie sorgen und kein Futter ranschaffen müssen, die also nicht diesen Druck haben, sich irgendwann auf ihre Aufgaben zu konzentrieren. Und die Tatsache, dass das spielerische Verhalten abnimmt, wenn die Futtersuche zunimmt im Alter, legt nahe, dass das Rumrollen mit den Bällen von den Tieren nicht assoziiert wurde mit der Futtersuche.
Experiment 3: Spielen Hummel freiwillig?
Jetzt kann man aber natürlich immer noch argumentieren okay, die sind einfach durch Zufall bei den Bällen gelandet, auf der Suche nach Futter. Und deswegen gab es noch einen dritten Experiment Aufbau.
Versuchsaufbau und – durchführung:
Hier wurde das Nest über den Tunnel mit einer Kammer verbunden, die wiederum mit einem Tunnel mit der Futterkammer verbunden wurde. Die Kammer wurde regelmäßig getauscht. Dabei kamen zweierlei Farben zum Einsatz: Blau und Gelb. In nur einer der beiden Farben waren Bälle vorhanden, in der anderen konnten die Bienen ungehindert direkt zu ihrem Futter wandern.
Nun wurden die Hummeln über zwei Tage hinweg darauf konditioniert, dass sie nur in einer der farbigen Kammern Bälle zu erwarten hatten. Dafür wurde die mittlere Kammer alle 20 Minuten getauscht: erst die Leeren, dann die mit Bällen, dann wieder die Leere..
Um eine natürliche Farbpräferenz von Hummeln auszuschließen, fand das Ganze mit zwei Gruppen von Tieren statt. Eine Gruppe fand die Bälle in der gelben Kammer, die andere in der blauen.
Am Ende dieser zwei Tagen Training wurde den Bienen dann die Wahl gelassen, ob sie die gelbe oder die blaue Kammer bevorzugen. Dafür wurde nicht mehr nur eine farbige Kammer zwischen Nest und Futterkammer platziert, sondern beide. Allerdings wurden die Bälle aus beiden Kammern entfernt, so dass die Hummeln nur noch die Farbe als Orientierung hatten.
Auswertung:
Hummeln haben generell eine Präferenz für Gelb, was an der natürlichen Nahrungssuche an Blumen liegt.
Allerdings wurden trotz dieser Vorliebe der Hummeln die Kammer, in der sie Bälle erwarteten, ebenfalls bevorzugt. Die Hummeln, die in der gelben Kammer die Bälle erwarteten, ließen die blaue Kammer nahezu unbeachtet. Die Tiere jedoch, die in der blauen Kammer die Bälle erwarteten, besuchten die blaue beinahe so oft wie die gelbe Kammer.
Eine natürlich Farb-Vorliebe der Hummeln hängt mit der Futtersuche auf Blüten zusammen.
[Bild: Kristine Tanne via Unsplash]
Zeigen diese Hummeln also spielerisches Verhalten?
Die Autoren der Studie werten am Ende ihre Ergebnis auf diese Frage hin aus. Dabei nehmen sie Bezug auf die zuvor genannten Kriterien für spielerisches Verhalten.
Erstens: Spiel hat kein sofortiges Ergebnis.
Hier geben die Autoren an, dass die Bälle im Experiment niemals sofort mit Futter in Verbindung gebracht wurden. Es fiel kein Futter raus in irgendeiner Art und Weise und die Bälle waren nicht sichtbar vom Futter aus. Die Hummeln hatten die Möglichkeit einfach geradeaus zum Futter durchzufliegen und haben sich trotzdem dagegen entschieden und die Bälle bevorzugt.
Zweitens: Das Spiel ist freiwillig, spontan und in sich belohnend.
Hier geben die Autoren an, dass die Hummeln im ersten Experiment die Bälle einfach hätten ignorieren können. Haben sie nicht. Und im dritten Experiment haben die Hummeln eine eindeutige Präferenz entwickelt für die Farbe der Kammern in der die Bälle erwartet wurden.
Sie haben sich also spontan und freiwillig dafür entschieden, die Bälle zu besuchen.
Drittens: Das Verhalten muss sich von anderen Verhalten grundlegend unterscheiden.
Hier wurde festgehalten, dass die Bienen nicht ein einziges Mal versucht haben, in die Bälle zu beißen oder daran zu lecken. Es handelte sich also nicht um futtersuchendes Verhalten. Männchen haben auch nicht versuchtsich mit den Bällen zu paaren, obwohl es durchaus Versuche gab zwischen Männchen und Weibchen, jedoch niemals mit den Bällen.
Es wurde nicht gesummt zur Verteidigung. Also die Bälle wurden auch nicht als Angreifer gewertet und es wurde auch nicht der Stachel ausgefahren. Also es gibt keine Bewegungsmuster mit dem Ball, die einem anderen Verhalten der Hummeln zuzuordnen waren. Daher gegen die Autoren davon aus, dass es ein spielerisches Verhalten war
für das Kriterium, das spielerische Verhalten, nicht stereotyp, Stereotypisierung, also nicht zwanghaft. Es. Kleine Anmerkung aus der Nachbearbeitung Ihr merkt vielleicht, dass ich hier Schwierigkeiten hatte mit der Übersetzung.
Viertens: Das Verhalten wiederholt sich, ist aber nicht stereotyp.
Hier halten die Autoren fest, dass es eine große Varianz darin gab, wie lange die Bienen den Ball haben, wohin sie ihn gerollt haben, in welche Richtung sie ihn gerollt haben. Es war also kein sich wiederholendes Muster zu erkennen.
Fünftens: Spiel kommt auf, wenn das Tier nicht gestresst ist.
Hier weisen die Autoren darauf hin, dass vieles unternommen wurde, um Stress für die Hummeln zu vermeiden. Es wurde Futter bereitgestellt (innerhalb des Nestes), die Tiere wurden möglichst nicht gestört. Die Bienen waren nicht voneinander isoliert und konnten sich innerhalb des Versuchaufsbaus frei bewegen. Und deswegen schreiben die Autoren, dass es unwahrscheinlich ist, dass das gezeigte Verhalten stressinduziert. Allerdings schließen sie nicht auf, dass das spielerische Verhalten daran liegt, dass die Tiere sehr wenig Stimulation hatten, weil eben die Außenwelt fehlte.
Hier regen sie an, dass das Ganze wiederholen wiederholt werden sollte in der Wildnis. Man müsste irgendeinen Versuchsaufbau hinkriegen, um festzustellen, ob Bienen auch freiwillig in der Wildnis spielen oder eben nur, wenn sie in einem Labor nichts Besseres zu tun haben.
In Zusammenfassung halten die Autoren fest, dass systematisch festgehalten wurde, dass diese Tiere in der Lage sind, mit Objekten zu spielen. Dass sie wiederholt die Bälle bewegt haben, obwohl dieses Verhalten kein sofortiges Ergebnis, kein keine Belohnung hatte. Und dass dieses Verhalten Parallelen zu Spielverhalten bei Wirbeltieren zeigt.
Verhaltensweisen wie das Beißen in Blüten oder das Auflecken von Nektar sind Bewegungsabläufe, die klar mit Futtersuche zusammenhängen – nichts davon zeigten die Hummeln bei Interaktion mit den Bällen.
[Bild: David Clodevia Unsplash]
Meine Meinung:
Das ist gigantisch. Diese Studie verändert unsere Sicht auf soziale Insekten grundlegend.
Bisher ist man davon ausgegangen, dass gerade soziale Insekten kleine Roboter sind, die nur der Kolonie dienen und die rein instinktgesteuert sind. Dass sie nur von Pheromonen und „Gruppenzwang“ bestimmt werden, um der Kolonie zu dienen. Es gibt diesen Spruch „eine einzelne Ameise ist dumm wie Brot und eine Ameisen Kolonie regiert die Welt“. Der geht davon aus, dass einzelne Tiere nichts anderes sind als Rädchen im Getriebe.
Und wenn wir jetzt davon ausgehen, dass eine Hummel sich dessen bewusst ist, ob sie Freizeit hat oder nicht und ihre Freizeit freiwillig mit etwas verbringt, das ihr Spaß macht, dann eröffnet das eine Art Selbstverständnis des Tieres, eine Art Selbstwahrnehmung, die einfach entgegen dessen ist, was bisher Gang und Gäbe war.
Wenn du also nächste Mal auf eine Hummel trittst oder auf eine Biene oder auf eine Wespe – Sei dir bewusst, dass dieses Tier durchaus in der Lage ist (bis zu einem gewissen Grad), sich selbst zu reflektieren und sich seiner selbst bewusst zu sein.
Du trittst da auf ein intelligentes, fühlendes Wesen. Mach das nicht.
Schönes Schlusswort 😀
Hier findet ihr auch den Link zu der Studie selber und auch zu einer Zusammenfassung von National Geographic, falls ihr einfach nicht die ganze Studie auf Englisch lesen wollt, aber noch eine andere Quelle haben wollt.
Inspiriert von dieser Studie habe ich einen neuen Sticker entworfen -> Klick auf das Bild, um zum Shop zu gelangen.
Bis dahin, Tüdelü!
Ich weise darauf hin, dass die Inhalte dieser Studie, welche ich hier in eigenen Worten wiedergebe, nicht von mir sind.
Meine Quellen:
Studie: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0003347222002366?via%3Dihub
National Geographic: https://www.nationalgeographic.com/animals/article/bees-can-play-study-shows-bumblebees-insect-intelligence
Video: https://www.youtube.com/watch?v=D8btoEv4HUI
Bilder:
1 https://unsplash.com/photos/0QHOlK8l4qw
2 https://unsplash.com/photos/-w9c4xbzOkk
3 https://unsplash.com/photos/I3Ah90pVRBo
4 https://unsplash.com/photos/VVKl4w_xk7M
„Und sie fliegt doch: Eine kurze Geschichte der Hummel“
von Dave Goulson
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