Die Nosferatu-Spinne – was da los?

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Der Namensgeber

Kurz ein Einschub für die Film-Nerds unter euch:
Der Film „Nosferatu – eine Symphonie des Grauens“ ist letztes Jahr 100 Jahre alt geworden.
Es ist ein schwarzweiß Stummfilm von 1922. Versetzen wir und einmal zurück ins Jahr 1922:
„Dracula“ war gerade total in, und inspirierte ein deutsches Filmteam dazu, auch eine Vampirgeschichte erzählen zu wollen. Dabei haben sie sich sehr stark an der Vorlage orientiert, und nur den Namen, das Design der Figur und die Story (minimal) angepasst.

Bram Stoker war zu dem Zeitpunkt bereits verstorben, seine Witwe hatte jedoch das Urheberrecht an Dracula und dachte ist so „Moment, dieser Film aus Deutschland sieht verdammt bekannt aus“.
Sie hat also wegen Urheberrechtsverletzung geklagt und bekam Recht.
Zunächst sollten die Filmemacher eine Strafe zahlen, dazu ist es aber nicht gekommen und man einigte sich drauf, den Film zu vernichten. Es wurden jedoch nicht alle Kopien vernichtet, weshalb wir den Film auch heute noch sehen können, wenn wir wollen (macht das, der ist gut!).

Von einem Film, den es nicht eigentlich nicht mehr geben sollte, zu einer Spinne, die es hier bei uns eigentlich nicht geben sollte: Zur Nosferatu-Spinne.

Das Tier hat seinen Namen allerdings nicht wegen der Anekdote, sondern wegen seiner Färbung.
Auf dem Prosoma – das ist das Vordere Körperteil, das Kopfbruststück – hat sie eine Zeichnung, die wie Nosferatus Gesicht aussieht.

Warum diese Spinne in den letzten Jahren für viel Aufsehen gesorgt hat, das schauen wir uns jetzt gemeinsam an.

Ausbreitung nach Norden

Bereits 1993 und 1994 wurden die ersten Tiere in Basel, Schweiz entdeckt.
Sie kamen als Mitbringsel, als blinde Passagiere, aus dem Mittelmerraum.
Diese zwei Tiere wanderten in die Sammlung des Naturhistorischen Museum Basel und
das Ganze wurde zunächst nicht weiter verfolgt.

Erst 2003 wurden diese Tiere als „offizielle“ Funde gemeldet, als die Spinne vermehrt erst in der Schweiz, und 2006 in Deutschland auftauchte.
Daraufhin wurde die Bevölkerung aufgerufen, Funde zu melden.
Zwischen 2008 und 2012 wurden insgesamt 68 der gemeldeten Funde als Zoropsis spinimama – so heißt diese Spinne eigentlich – bestätigt

Warum hat dieses Tierchen es dann jetzt erst geschafft, meine Aufmerksamkeit zu erlangen?
Sie taucht immer weiter nördlich auf, und hat vor Kurzem auch NRW erreicht – wo ich nun mal sitze.

In Deutschland wurde das bis zu 5 cm große Tier (inkl. Beine) herzlichst begrüßt mit Schlagzeilen wie
„So gefährlich ist die Riesenspinne“ (Galileo.tv), „Nosferatu Spinne rückt immer weiter vor“ (Spiegel.de) und – mein Favorit – „Frau in den Po gebissen“ (nordbayern.de)
Den Rest dieser reißerisch aufgemachten Artikel erspare ich euch, wir gehen das Ganze Thema sachlich an.

Also, wer genau ist dieses Tierchen?

Die Nosferatu-Spinne – Zoropsis spinimama – ist eine Kräuseljagdspinne aus der Überfamilie der Wolfsspinnenartigen.

Wolfsspinnen kennt ihr – am bekanntesten sind wohl die kleinen schwarzen Gartenspinnen.
Auch die große Winkelspinne hätte ich zu den Wolffspinnen gezählt, das stimmt jedoch nicht.
Sie ist dennoch entfernt mit der Nosferatu-Spinne verwandt und hat meiner Meinung nach viele Ähnlichkeiten: Sie ist groß, dunkel und führt zu unnötiger Panik, wenn sie sich ins Bad verirrt.

Der Biss

Was die Nosferatu-Spinne  jedoch unterscheidet von den meisten anderen Arten: Ihre Giftklauen können menschliche Haut durchdringen. Die Tiere können uns also beißen, wenn wir ihnen zu sehr auf die Pelle rücken.
Der Stich wird jedoch als harmlos beschrieben. Der kurze, überraschende Schmerz klingt recht schnell ab, das Gift ist für Menschen ungefährlich. In einer Quelle werden die Folgen des Bisses mit einem Mückenstich verglichen. Gemeldete Bisse mit schwerere Folgen konnten nicht sicher dieser Spinne zugewiesen werden – die betroffenen wurden im Schlaf gebissen oder gestochen und haben dann später eine solche Spinne entdeckt.
Damit ist die Nosferatu-Spinne ein weiterer Eintrag auf der Liste der Tiere, die wir besser nicht ärgern sollten – neben alten Bekannten wie Bienen, Wespen und Ohrenkneifern.

In dem Buch „Spinnen – alles was man wissen muss“ (*) aus dem Springer Verlag wird ein Selbstversucht zweier Autoren beschrieben. Die zwei wollten sich zu wissenschaftlichen Zwecken von der Spinne beißen lassen. Das hat nicht sofort geklappt, da man die Spinne schon arg reizen muss, bis sie in Beißstimmung kommt. (* Achtung: Affiliate Link – beim Kauf bekomme ich eine Provision)

Auch Videos zu dem Thema bestätigen mir dies – die Spinne wird vor dem Biss ziemlich genervt.
Wer dem Biss also entgehen will, sollte den Tieren einfach mit dem nötigen Respekt und Abstand begegnen.

Leben mit der Spinne

Außerdem ist nicht sicher, ob diese Spinne überhaupt bevorzugt bei uns wohnen möchte. Die meisten Meldungen stammen zwar aus Häusern, aber seien wir ehrlich: wer von uns leuchtet schon unter die Terrasse oder in die Gartenhecke, um nachts eine solche Spinne zu finden und zu melden? Die meisten Meldungen werden also gemacht, wenn das beispielsweise abends an der Badezimmerwand sitzt. 
Wie sollte man dann vorgehen?
Ganz einfach: Glas über die Spinne, Papier unters Glas schieben, Tier raussetzen, Tschüss.
Oder man arrangiert sich mit den Tieren im Bad. Die Nosferatu spinne ist nachtaktiv, begegnet uns daher kaum. Die baut keine Netze, die an der Zimmerdecke hängen, sondern geht aktiv auf die Jagd nach Beute.

Bisher kann noch nicht abgeschätzt werden, welchen Einfluss diese einwandernde Spinne auf die von ihre neu erschlossenen Ökosysteme hat. Dafür ist es einfach noch zu früh und es liegen zu wenige Daten vor.  Falls euch hier eine aktuelle Studie begegnet, immer her damit.

Datenerhebung

Den größten Einfluss hat sie wohl auf die Berichterstattung in den Boulevard Medien, wobei ich natürlich hoffe, dass ihr nun wisst, wie aufgebauscht und übertrieben Schlagzeilen wie die, die ich zu Anfang nannte, tatsächlich sind.

Wenn ihr helfen wollt, die Datenlage zu diesen Tieren zu verbessern, könnt ihr Funde melden. Diese am besten mit Bild. Ich verlinke euch eine Galerie von Fotos, damit ihr die Tiere besser bestimmen könnt. Außerdem habe ich euch die Seite vom NABU verlinkt, die um Fundmeldungen bittet.

Alle anderen Quellen habe ich euch natürlich ebenfalls verlinkt. Wenn ihr euch dort einlest, und diese wissenschaftlichen Arbeiten zu den Tieren verbreitet, können wir vielleicht gemeinsam etwas gegen die Flut der Negativschlagzeilen tun.

Bis dahin, Tüdelü!


Genannte Links:

Bildergalerie:
https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Zoropsis_spinimana?uselang=de
Sichtungen melden:
https://nrw.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/spinnen/32106.html


Meine Quellen:

Generelles
https://wiki.arages.de/index.php?title=Zoropsis_spinimana
https://de.wikipedia.org/wiki/Prosoma
https://de.wikipedia.org/wiki/Nosferatu-Spinne
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-63398-4
https://www.wiesentbote.de/2020/11/20/die-nosferatu-spinne-eine-mediterrane-art-ist-in-kersbach-heimisch-geworden/

Bisswirkung
https://wiki.arages.de/index.php?title=Zoropsis_spinimana/Beobachtungen/Huber_S
https://www.youtube.com/watch?v=YX6NSxk0AAk
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-63398-4

Ausbreitung
https://massard.info/pdf/Massard-Geimer_2018_zoropsis.pdf
https://www.researchgate.net/publication/344175604_Zoropsis_spinimana_-eine_gebietsfremde_Spinnenart_aus_dem_Mittelmeerraum_besiedelt_auch_Vogelnistkasten
https://www.researchgate.net/publication/260133582_Zoropsis_spinimana_-_eine_mediterrane_Spinne_ist_in_Basel_NW-Schweiz_heimisch_geworden

Sonstiges
https://www.uniaktuell.unibe.ch/2016/von_der_faszination_fuer_spinnen/index_ger.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Nosferatu_%E2%80%93_Eine_Symphonie_des_Grauens#Konkurs_der_Prana_und_Urheberrechtsstreit
https://www.alieward.com/ologies/vampirology

Bildnachweise:
Die Fotos der Spinne wurden via shutterstock lizensiert


„Und sie fliegt doch: Eine kurze Geschichte der Hummel“
von Dave Goulson

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Anna

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